Endlich hat das Bundesarbeitsgericht auch diese Frage entschieden.
1992 entstand aus Unzufriedenheit vieler Flugbegleiter mit Ihrer Interesenwahrnehmung durch DAG und ÖTV (später ver.di) zunächst die Selbsthilfegruppe Unabhängige Flugbegleiter Organisation (UFO). 1999 entschloss man sich nach entsprechender Satzungsänderung künftig selbst den Abschluss von Tarifverträgen anzustreben. UFO hat inzwischen 10.000 Mitglieder und kann Tarifabschlüsse unter anderem mit Lufthansa, Eurowings und LTU vorweisen.
Häufig versuchen in solchen Fällen große Gewerkschaften Kleineren oder neu Entstehenden die Gewerkschaftseigenschaft gerichtlich aberkennen zu lassen, um Konkurrenz und einer Zersplitterung der Arbeitnehmervereinigungen vorzubeugen. Entsprechend beantragte ver.di im Beschlussverfahren nach §§ 2a Abs. 1 Nr. 4, 97 ArbGG die Feststellung, dass UFO keine Gewerkschaft sei. Das BAG bestätigt nunmehr die abweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen.
Nach ständiger Rechtsprechung des BAG müssen tariffähige Arbeitnehmerverbände frei gebildet, gegnerfrei, auf überbetrieblicher Grundlage organisiert und unabhängig sein sowie das geltende Tarifrecht als für sich verbindlich anerkennen; ferner müssen sie in der Lage sein, durch Ausüben von Druck auf den Tarifpartner zu einem Tarifabschluss zu kommen.
Maßgeblich für die aktuelle Entscheidung ist das letztgenannte Kriterium, das auch als soziale Mächtigkeit bezeichnet wird. Demnach kann eine Arbeitnehmervereinigung nur dann ihre Aufgabe als Tarifpartnerin sinnvoll erfüllen, wenn sie sich gegenüber dem Sozialpartner (Arbeitgeber oder Arbeitgeberverbände) durchsetzen kann, und auch ihre Organisation über eine gewisse Leistungsfähigkeit verfügt.
Durchsetzungskraft ist erforderlich, damit Verhandlungsangebote nicht einfach übergangen und die Arbeitsbedingungen faktisch einseitig von Arbeitgeberseite bestimmt werden. Vielmehr sollen sie das Ergebnis tatsächlicher Verhandlung sein und einen angemessenen sozial befriedenden Interessenausgleich darstellen.
Mindestanforderungen an die Organisationsstruktur sind zu stellen damit die Vorbereitung von Tarifabschlüssen, Vermittlung der Verhandlungsposition an die Mitglieder wie auch die Durchführung der Tarifverträge bewältigt werden können.
In der Praxis führte dies zu einem umfangreichen Prüfungsprogramm der Arbeitsgerichte, beginnend bei Mitgliederzahl und Organisationsgrad, über bisherige eigenständige Tarifabschlüsse, finanzielle und personelle Ausstattung bis hin zur Größe der Büroräume.
Die Tariffähigkeit ist für eine Arbeitnehmervereinigung von entscheidender Bedeutung. Ohne Tariffähigkeit kann sie nicht wirksam Tarifverträge schließen. Bereits geschlossene Tarifverträge sind weiter als schuldrechtliche Verträge zwischen Arbeitnehmervereinigung und Arbeitgeberverband bzw. Arbeitgeber wirksam, können jedoch keine normative Wirkung für das Einzelarbeitsverhältnis mehr entfalten. Allerdings gelten sie bei den meisten Arbeitnehmern ohnehin aufgrund von Bezugnahmeklauseln. Inhaltlich findet wieder Gesetzrecht Anwendung wo von ausschließlich tarifdispoitiven Gesetzen abgewichen wurde.
Der Neuabschluss von Tarifverträgen wird dagegen nahezu unmöglich sein, da alleine Gewerkschaften zum Streik aufrufen dürfen.
Darüber hinaus geht das BAG davon aus, dass bei fehlender Tariffähigkeit auch keine Gewerkschaft im Sinne anderer Gesetze gegeben ist. Damit werden der betroffenen Arbeitnehmervereinigung die den Gewerkschaften vorbehaltenen Informations- und Kontrollrechte nach BetrVG genauso wie das Recht zur Prozessvertretung nach § 11 ArbGG genommen.
Das BAG wird bald erneut Gelegenheit haben die Frage der sozialen Mächtigkeit einer Gewerkschaft zu beurteilen. Diesmal geht es um die Christliche Gewerkschaft Metall (CGM).
16.12.04
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