Eben hat man noch die Bilder vor Augen von begeisterten, alle Widrigkeiten gelassen hinnehmenden Besuchern des Weltjugendtags.
Ganz und gar nicht gelassen berichtet Alexander Schwabe auf Spiegel Online wie die Arbeit der (jedenfalls dieses) Journalisten "in unzumutbarer Weise erschwert" wurde. Von den Besuchern gab es offenbar kaum negative Äußerungen, die die "logistische Fehlplanung" hinreichend deutlich machen. Einige Dutzende Unterkühlungen vermögen angesichts von 700.000 Teilnehmern nicht genügend Dramatik erzeugen. Drohende Todesgefahr im Falle einer Panik klingt wenigstens dramatisch, ist aber schlicht falsch (oder gar nicht) recherchiert.
So konzentriert er sich darauf, die Erlebnisse eines Jounalisten in aller Ausführlichkeit zu erzählen. Würde Herr Schwabe nicht für Spiegel Online schreiben, kann man sich denselben Bericht nur allzugut in einem Blog vorstellen. Tausendfach finden sich solche Beschwerde-Einträge. Über Verspätungen bei der Bahn, Fahrkartenkontrolleure die die Fahrkarte nicht akzeptieren, DSL-Anschlüsse die nicht termingerecht zu Verfügung stehen. Früher hat man mit Beschwerden ganz oben oder dem Anwalt gedroht. Heute lässt man seinen Ärger im Internet freien Lauf. Schließlich gibt es potentiell Millionen von Lesern, die ebenso schockiert von den Missständen, künftig nicht mehr Bahn fahren oder andere vernichtende Konsequenzen ziehen werden. Die große Mehrheit der Blogs bleiben allerdings vom Millionenpublikum unentdeckt. Ganz anders kann hier Herr Schwabe auf den Leserkreis von Spiegel Online zählen. Die spontane Solidarität von Millionen von Lesern mit dem Drang, seinem Ärger Luft zu machen, ist ihm gewiss. Ist sie doch jedem vertraut. Wie schön kann doch Journalismus sein.
21.8.05
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3 Kommentare:
Waere der Titel "Nabelschau" nicht passender als "Journalismus"?
Wer immer ideale Arbeitsbedingungen verlangt, sollte sich selbstaendig machen. Der Schreiber erinnert an Bush. Der beklagt sich auch immer, das seine Arbeit so schwer ist.
ck
das +s
ck
Ich kann Herrn Schwabes negativ geprägten Bericht einerseits gut verstehen. Wer gestern und /oder vorgestern auf dem Marienfeld war, musste so einiges über sich ergehen lassen. Aber an den ausführlichen und herzzerreißenden Lamenti ["Schon auf der Anfahrt zum Marienfeld wurde vielen ein etwa fünf Kilometer langer Fußmarsch über Äcker und Wiesen zugemutet." ] zeigt sich m.E. ein grundlegendes Problem: Heutzutage erwartet jeder Journalist, wie ein König behandelt zu werden. Die Bedingungen waren eng? Den Pilgern ging es nicht anders. Es war kalt? Den Pilgern ging es nicht anders. Man musste schwere Lasten tragen? Den Pilgern ging es nicht anders. Die Koordination des Busverkehrs war nicht ganz einwandfrei? Den Pilgern ging es nicht anders. Man war am Ende gestresst, erschöpft und entnervt: Raten sie mal...
Was mich am Artikel stört, ist nicht die Tatsache, dass Probleme aufgedeckt wurden. Das ist die Pflicht eines Journalisten. Es ist vielmehr die Aussage, man sei als Journalist nicht bevorzugt behandelt wurden, weil diese sich den Zuständen unterordnen mussten, die eine Million Pilger zwar ab und an mit einem Murren, aber doch auch mit Verständnis über sich ergehen ließ. Das ist hochnäsig. Und ein Journalist, der sich sicher durch seine Arbeit für den "Spiegel" als der besseren Hälfte der Journalisten zugehörig fühlt, sollte doch wohl nicht überrascht sein, dass der logistische Aufwand eines solch einmaligen Millionenereignisses die Organisatoren nicht nur fordert, sonder auch überfordern kann.
Nur um klarzustellen: Hier schreibt niemand, der selbst auf dem Marienfeld war und nun seinen Glaubensenthusiasmus zur Schau stellen will. Ich habe mich trotz meines vorhandenen Glaubens und meiner Zugehörigkeit zur katholischen Kirche bewusst gegen das Massen-Event entschieden und nur an kleineren, dafür umso schöneren Veranstaltungen während des WJT teilgenommen. Ich glaube, wenn ich Benedikt XVI. gefragt hätte, ob ich ihm lieber zujubeln oder zuhören solle, hätte er sich für letzteres entschieden, und das habe ich getan. Wäre ich aber auf das Marienfeld gepilgert, hätte ich natürlich mit derlei Unannehmlichkeiten gerechnet, wie sie Herrn Schwabe und auch vielen Pilgern, z.B. meiner völlig erschöpften Lebensgefährtin, wiederfahren sind.
Ich denke, bei solch einem großen Ereignis, wenn also die Organisation so oder so vor größten Herausforderungen steht, kann nicht noch überschwengliche Rücksicht auf die Presse genommen werden. Mit dieser Tatsache hätte jeder Journalist rechnen können.
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