1.2.08

Kuriose Urteile und Recht rund um Karneval

Meistens feiern Narren und Jecken friedlich. Und wenn es Streit gibt, dann führt dies zu eher kuriosen Urteilen. Hier eine Auswahl von Entscheidungen zum Thema Karneval und Fasnacht.

Fliegende Kamellen & Co.
Kein Anspruch auf Schmerzensgeld nach einer Verletzung durch Pralinenschachtel bei einem Karnevalsumzug.
Das Amtsgericht Aachen stellte hierzu fest (Urteil vom 10.11.2005 - 13 C 250/05):
Es ist allgemein bekannt, dass bei Karnevalsumzügen von den Festwagen aus Gegenstände unter die Zuschauer geworfen werden. Dass hierdurch für die Zuschauer das Risiko besteht, von einem derartigen Gegenstand auch verletzt zu werden, kann auch dem Kläger nicht unbekannt geblieben sein. Wenn der Kläger gleichwohl als Zuschauer einen Karnevalsumzug ansieht, willigt er hierdurch konkludent in ein derartiges Verletzungsrisiko ein. Wenn der Kläger dann tatsächlich durch einen derart geworfenen Gegenstand verletzt wird, kann er daraus jedenfalls keine Schadensersatzansprüche ableiten.
Maßgeblich zur Beurteilung der Situation, in welche der Kläger durch seine Anwesenheit eingewilligt hat, ist nicht nur der konkrete Ort B, sondern das gesamte Rheinland. ... Im Rheinland aber ist es, wie auch der Kläger nicht bestritten hat, üblich, außer mit Kamelle auch mit anderen Gegenständen wie etwa Pralinenschachteln oder Schokoladetafeln zu werfen.


Sind sie zu stark...
Wer am Rosenmontag einem Faschingsumzug zuschauen möchte, muss auch damit rechnen, dass von den Festwagen Bonbons geworfen werden. Wird man von einer durchschlagstarken Kamelle derart getroffen, dass ein Schneidezahn abbricht, kann man keine Haftpflichtansprüche gegenüber dem Veranstalter durchsetzen. Diese bittere Erfahrung machte ein Mann vor dem Landgericht Trier (1 S 18/01).

Nichts zu lachen...
hatte ein Kläger, der in der Kölnarena bei der Großveranstaltung "Lachende Kölnarena" nach dem Genuss von 3,5 Litern Bier ausrutschte.
Das OLG Köln (Urteil vom 08.06.2002 - 19 U 7/02) hat eine Klage auf Schmerzensgeld und Schadensersatz gegen den Veranstalter der Karnevalsveranstaltung wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht zurückgewiesen und ausgeführt:
Die Beklagte hat die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt und der Kläger ist beweisfällig dafür geblieben, daß eine feuchte Stelle in Treppennähe bzw. auf einer Treppenstufe kausal für den von ihm vorgebrachten Sturz gewesen ist. ... so ist genauso gut denkbar, daß der Kläger stürzte, weil er von irgend jemanden aus dem Pulk angestoßen oder angerempelt worden oder über irgendein Bein gestolpert ist oder sich etwa aus Unachtsamkeit oder Unsicherheit infolge der auf der Treppe befindlichen Menschenmassen vertreten hat. Dies ist um so weniger auszuschließen, als der Kläger selbst nach seinen Angaben vor dem Unfall ca. 3,5 l Bier getrunken haben will. Kann der Schaden jedoch - wie hier - auf mehrere typische Schadensabläufe zurückzuführen sein, von denen nur einer zur Haftung der Beklagten führt, scheidet die Annahme eines Anscheinsbeweises zugunsten des Geschädigten aus, so daß diesen die volle Beweislast für den konkreten Schadensablauf trifft (s. Palandt-Heinrichs, 61. Aufl., Vor § 249 BGB, Rn. 164 m.w.N.; OLG Hamm VersR 1995, 187; OLG Köln VersR 1997, 1113).


Es darf knallen
Das Landgericht Trier (1 S 18/01) hat entschieden, dass die Veranstalter eines Karnevalsumzugs nicht für alle denkbaren Risiken verantwortlich gemacht werden können. Eine Frau hatte beim Rosenmontagsumzug durch einen Schuss aus einer so genannten Weinbergskanone ein Knalltrauma erlitten und klagte auf Schadenersatz gegen den Veranstalter. Das Gericht wies die Klage ab und stellte fest, dass der Veranstalter zwar verpflichtet ist, Vorkehrungen zum Schutz der Zuschauer zu treffen, gegen laute Geräusche beim Rosenmontagszug hätten sich die Zuschauer aber selbst zu schützen, zum Beispiel durch Zurücktreten vom Bordsteinrand.

Musik nur wenn sie laut ist
Ein Karnevalsumzug darf laut sein, das entschied auch das Verwaltungsgericht Frankfurt (15 G 401/99). Anwohner können nicht verlangen, dass dabei eine Lärmgrenze von 70 Dezibel eingehalten wird. Es handle sich um eine Belästigung von verhältnismäßig kurzer Dauer und außerdem um eine Traditionsveranstaltung.

Auch der Lärm aus Gaststätten muss geduldet werden und zwar gerade in der Nacht von Rosenmontag auf Karnevalsdienstag (Amtsgericht Köln - 532 OWI 183/96).
Wie das Verwaltungsgericht Koblenz (1 L 141/02) nämlich zu Recht festgestellt hat, gehört der Karneval zum heimatlichen Brauchtum. Die Narrenfreiheit hat jedoch Grenzen. So wurde von demselben Gericht entschieden, dass ein Festzelt in einem reinen Wohngebiet als Veranstaltungsort einer Karnevalsfeier ausscheidet (1 K 745/03.KO; 1 K 1978/03.KO).

Zum Umgang mit dem Freund und Helfer
Beschimpft ein betrunkener Jeck einen Polizisten als "Arschloch" und "Scheißbulle", so wird der Beamte nicht beleidigt, weil sich die Bemerkungen nicht gegen ihn persönlich, sondern gegen seine Eigenschaft als Ordnungshüter richten. Wird er jedoch zusätzlich bespuckt, so liegt eine Körperverletzung vor (Kostenpunkt: 250,00 Euro.) (Landgericht Münster - 8 S 210/02)

Kein Anspruch auf bezahlte Freizeit am Rosenmontag
Ein Anspruch auf bezahlte Arbeitsbefreiung an Rosenmontag durch betriebliche Übung ist im Geltungsbereich des ehemaligen TV Arb (Tarifvertrag für Arbeiter der Deutschen Bundespost) auch durch wiederholte vorbehaltslose Gewährung nicht entstanden. Er ist auch nicht dadurch entstanden, dass die Praxis nach der Privatisierung zur Deutschen Telekom AG fortgesetzt wurde, bis für diese der MTV am 01.07.2001 in Kraft trat. Dem stand die Formklausel für Nebenabreden in beiden Tarifwerken entgegen. Die Arbeitsbefreiung an Rosenmontag ist eine Nebenabrede.
(LAG Köln, Urteil vom 08.08.2003 - 11 (12) Sa 239/03)

Richter mit Humor
Das OLG München (Beschluss vom 10.12.1999 - 26 AR 107/99 = NJW 2000, 748) hatte über eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen einen Münchner Amtsrichter zu entscheiden, der mündliche Verhandlung in mehreren Familiensachen auf den 11.11. um 11.11 Uhr terminiert hatte. Die Beschwerdeführerin - Beklagte in einem Unterhaltsprozess - fühlte sich nicht ernstgenommen und meinte, der Richter wolle sie mit der Terminierung wohl veräppeln. Sie sah ihre Menschenwürde mit Füßen getreten und das der Richter damit nur zum Ausdruck bringen wolle, dass er den Streit im Grunde als närrisch ansehe.

Die OLG-Richter sahen die Angelegenheit etwas anders:
"Dass der abgelehnte Richter sich wegen der Dienstaufsichtsbeschwerde so ärgert, dass er nicht mehr unbefangen sein kann, kann gerade bei der Art von Humor, die der Richter - ob passend oder unpassend - bei der Terminierung gezeigt hat, ausgeschlossen werden." Der Richter habe sich allenfalls "einen kleinen Scherz" erlaubt. Wenn er statt um 11.11 Uhr um 11.10 Uhr terminiert hätte, hätte sich auch niemand aufgeregt. Das OLG schließt mit den Worten: "Etwas Humor, zumindest aber Gelassenheit, kann auch von den Streitparteien einer Familiensache erwartet werden."


Richter ohne Humor
Nicht alle finden den Brauch mit dem Krawatten-Abschneiden zu Weiberfastnacht lustig. Das Amtsgericht Essen (20 C 691/87) verstand hier keinen Spass und verurteilte eine Jeckin zum Schadensersatz in Höhe von 40 DM.

Die Büttenrede ist keine Kunst
Der Bundesfinanzhof (Urteil vom 26. Februar 1987 - IV R 105/85) urteilte, dass die Büttenreden "keine eigenschöpferische Tätigkeit mit einer gewissen Gestaltungshöhe" darstellen und die so erzielten Einkünfte daher auch nicht als Einkünfte aus einer künstlerischen Tätigkeit dem ermässigten Steuersatz unterliegen.

Denn es fehle an einer eigenschöpferischen Tätigkeit, wenn der Redner mit Schablonen arbeite und die gleiche Rede, wenn auch mit Variationen, in zahlreichen Fällen immer wieder vortrage. Das eigenschöpferische Element fehle auch dann, wenn der Redner mit der Verwendung weniger Grundmuster auskomme und nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen einen individuellen Redetext entwerfe. Der Kläger habe aber seine Büttenreden auf etwa 80 bis 125 Veranstaltungen nach einer bestimmten Rednerschablone gehalten. Das genüge den Anforderungen an eine eigenschöpferische Tätigkeit auch dann nicht, wenn der Kläger diese Reden in kölscher Mundart und humorvoller Weise gehalten habe.

Büttenreden sind Kunst
Anders das Bundessozialgericht (3 RK 17/96 und 3 RK 22/96), das Karnevalsgesellschaften, die Sitzungen veranstalten, wie Theater und Musikagenturen und damit abgabepflichtig einstufte. Die Leistung der Büttenredner sah das BSG dabei als Kunst an mit der Folge, dass Karnevalsgesellschaften für die Darbietung ihrer öffentlichen Veranstaltungen Abgaben an die Künstlersozialkasse leisten müssen .

Zum Schluss: Kölsch für Anfänger
Hier die 10 wichtigsten Redewendungen aus dem Kölsch-Kodex (auch bekannt als "Rheinisches Grundgesetz") mit Übersetzungen. So überleben auch Nordlichter spielend den Karneval im rheinische Frohsinnsgebiet.
Artikel 1: Et es wie et es
Sieh den Tatsachen ins Auge

Artikel 2: Et kütt wie et kütt
Habe keine Angst vor der Zukunft

Artikel 3: Et hätt noch immer jot jejange
Lerne aus der Vergangenheit

Artikel 4: Wat fott es es fott
Jammere den Dingen nicht nach

Artikel 5: Et bliev nix wie et wor
Sei offen für Neuerungen

Artikel 6: Kenne mer nit, bruche mer nit, fott domit
Sei kritisch, wenn Neuerungen überhand nehmen

Artikel 7: Wat wellste maache
Füge dich in dein Schicksal

Artikel 8: Maach et jot, äver nit zo of
Achte auf deine Gesundheit

Artikel 9: Wat soll dä Quatsch?
Stelle immer zuerst die Universalfrage

Artikel 10: Drinkste eine met?
Komme dem Gebot der Gastfreundschaft nach


Helau!

Keine Kommentare: